Neue Wende im Abgasskandal? Verwaltungsgericht Schleswig sieht VW-Update mit Thermofenster als unzulässig an

 

Das für das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg ansässige Verwaltungsgericht (VG) Schleswig hat auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin, die durch die Behörde erteilte Freigabe eines Updates der VW AG für die Modelle Golf und Touran mit Dieselmotor für unzulässig erklärt (VG Schleswig, Urteil vom 20.02.2023 - 3 A 113/18).

Enthalten war im Update auch ein sogenanntes Thermofenster, das eine unterschiedliche Wirksamkeit der Abgasreinigung und damit des Emmissionsverhaltens der Fahrzeuge mit Dieselmotor regelte. Die Updates musste die VW AG im Rahmen des Dieselskandals auf die Fahrzeuge aufspielen. Auch das Update enthielt aber eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasreinigung.

Im Rahmen des Thermofenster begann die Software die Abgasreinigung schon dann erheblich zu reduzieren, wenn nur die in Deutschland doch durchaus übliche Außentemperatur von 10 °C unterschritten wurde.

Das VG rief in einem sogenannten Vorabentscheidungsverfahren den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, um klären zu lassen, wie die europarechtlichen Fragen auszulegen seien und ob danach eine Klagebefugnis der DUH zu bejahen sei. Der EuGH bestätigten seine bereits gefestigte Rechtsprechung, wonach auch Thermofenster illegale Abschalteinrichtungen darstellten. Zudem stellte der EuGH klar, dass die Ausnahme (Abschalten der Abgasreinigung) nicht häufiger auftreten dürfe, als das Verbot. Daher wäre eine Abgasreinigung, die nicht während des überwiegenden Teils des Jahres funktioniere, sondern überwiegend gedrosselt oder abgestellt sei, auf jeden Fall rechtswidrig.

Das VG Schleswig folgte sodann der Einschätzung des EuGH und sah auch nach deutschem Recht die Thermonfenster als unzulässig an - und daher auch die Freigaben des Updates.

Fraglich ist, welche Auswirkungen das Urteil für die Besitzer von Dieselfahrzeugen haben kann. Zunächst ist es noch nichts rechtskräftig - sowohl Berufung als auch Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht sind möglich.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, betrifft es zunächst die konkreten Fahrzeugmodelle mit dem Motor EA189. Die DUH klagt allerdings neben dem entschiedenen Verfahren noch gegen 118 andere Freigabeentscheidungen bei diversen Herstellern sowohl inländischer als auch ausländischer Fahrzeuge. Mercedes, Ford, Volvo werden genauso genannt, wie die zum VW-Konzern gehörenden Töchter Audi, Seat und Skoda. Die dortigen Bescheide werden möglicherweise unterschiedlich zu bewerten sein - schon dann, wenn die Grenzwerte z.B. nicht bei 10 °C liegen, sondern bei - 30 °C oder anderen "Ausnahmetemperaturen". Die zwangsweise Stilllegung von Fahrzeugen ist nicht zu erwarten. Es könnte aber bei bestimmten Modellen, wie schon einmal im Zuge des Dieselskandals, amtliche Rückrufe geben zum Aufspielen von Softwareupdates, eventuell aber auch zur technischen Nachrüstung von neuen Teilen.

Die nun vorliegende Entscheidung des VG Schleswig hilft den Käufern von Dieselfahrzeugen mit Thermofenster derzeit nicht. Aktueller Stand der Rechtsprechung ist, dass die deutschen Gericht flächendeckend eine zivilrechtliche Haftung auf Schadenersatz verneinen, weil das Vorliegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung verneint wird.

Der EuGH hat allerdings bereits in einem auch für Deutschland maßgeblichen Verfahren angekündigt. Im Fall "Rantos III" soll am 21.03.2023 eine Entscheidung des EuGH ergehen.

Der Generalanwalt am EuGH hat in seinem stets vorab veröffentlichten Votum die Auffassung vertreten, dass die verletzten Abgasvorschriften bereits sogenannten Drittschutz gewährten. Die Folge wäre - wenn dies auch EuGH und die deutsche Gerichtsbarkeit so sehen -  dass dann auch eine Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB gegeben wäre und damit den Autokäufern eine neue Anspruchsgrundlage für Schadenersatz zur Verfügung steht. Der EuGH muss dem Vorab-Votum nicht folgen, tut es aber verhältnismäßig häufig. Kommt es so, müssten Autohersteller nicht mehr vorsätzlich sittenwidrig gehandelt haben, sondern nur noch fahrlässig, um schadensersatzpflichtig zu werden. Es droht dann eine neue Klagewelle, denn die Schwelle zur Fahrlässigkeit wird schnell erreicht sein.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wartet ebenfalls auf die Entscheidung des EuGH. Der für die Dieselklagen zuständige Spezialsenat hat für den 08.05.2023 eine Grundsatzentscheidung angekündigt, bei dem er sich in einem zu entscheidenen Verfahren mit den Auswirkungen des Urteils des EuGH für das deutsche Recht auseinander setzen will. Sollte der BGH dann zu dem Ergebnis kommen, ein für die Autofahrer positives Urteil des EuGH sei auch nach deutschem Recht so umzusetzen, steigen die Erfolgsaussichten für alle Besitzer von Dieselfahrzeugen  mit in der Software implementierten Thermofenstern ganz erheblich - jedenfalls dann, wenn das Kraftfahrtbundesamt sie als zu entfernende illegale Abschalteinrichtung ansieht.

Als Ansprechpartner im Dieselskandal steht Ihnen unser Kollege, Rechtsanwalt Sebastian Schlüter gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

 

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