Corona-Entschädigung: Des einen Freud, des anderen Leid

 

Seit dem Corona-Lockdown, der die bundesdeutsche Wirtschaft in vielerlei Hinsicht „lahmgelegt“ hat, streiten insbesondere Gaststätten und Hotels mit ihren Betriebsschließungsversicherern über die Eintrittspflicht infolge behördlich angeordneter Betriebsschließungen. Ob diese leisten müssen, ist Gegenstand diverser Gerichtsverfahren. Viele Versicherer verweigern unter Hinweis auf die dem Vertrag zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen die Leistung.

In Abhängigkeit von den konkreten Versicherungsbedingungen, die allerdings erheblich voneinander abweichen können, stützen die Versicherer Leistungsablehnungen vor allem auf folgende Argumente: Zum Einen verweisen sie darauf, dass das Virus „SARS-CoV-2“ bzw. die dadurch ausgelöste Atemwegserkrankung „Covid-19“ nicht in den Versicherungsbedingungen als mitversicherte Krankheit bzw. mitversicherter Krankheitserreger namentlich benannt ist. Fast immer war dieses Virus bei Abschluss der Versicherungsverträge noch unbekannt. Zum Anderen argumentieren die Versicherer, die Betriebsschließungen seien als Folge der Allgemeinverfügungen der Bundesländer zur Eindämmung des Virus erfolgt, nicht aber auf Basis des Infektionsschutzgesetzes wegen erwiesener Infektionen innerhalb der Betriebe. Prophylaktische Schließungen zum Schutz der Allgemeinheit ohne konkrete Erkrankung innerhalb des Betriebs seien nicht versichert. Darüber hinaus wird geltend gemacht, dass Teilbetriebsschließungen nicht versichert seien und ggf. Außerhaus-Verkäufe möglich waren und dass sich Versicherungsnehmer staatliche Ersatzleistungen ggf. anrechnen lassen müssten.

Wie unterschiedlich dies die Gericht sehen und wie wichtig die Umstände des Einzelfalls sind, illustriert ein aktuelles Urteiles des Landgerichts München I. Die 12. Zivilkammer des Landgerichts gab am 01. Oktober einer Klage des Inhabers des "Augustiner-Kellers" statt und verurteilte die beklagte Versicherungskammer Bayern zu einer Versicherungsleistung aus einer Betriebsschließungsversicherung in Höhe von rd. € 1 Mio. für die Dauer der Betriebsschließung (LG München I, Urteil vom 01.10.2020 - 12 O 5895/20). 

Das Gericht sah es als entscheidend an, dass der Versicherungsvertrag erst Anfang März geschlossen worden sei als „Covid-19“ bzw. der Erreger „SARS-CoV-2“ schon bekannt waren. Darüber hinaus habe sich die bayrische Allgemeinverfügung gerade auf das Infektionsschutzgesetz bezogen. Daher sei eine konkrete Erkrankung im Betrieb nicht erforderlich. Eine Versicherungsbedingung, wonach bestimmte Krankheiten nach einer Liste des Infektionsschutzgesetzes versichert sein sollten und andere nicht, sah das Gericht als intransparent und damit unwirksam an. Da der Inhalt des Infektionsschutzgesetzes aufgrund notwendiger Aktualisierungen sich oft ändere, könne der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht erkennen, gegen was versichert sei und was nicht. Daher komme der damit begründete Ausschluss nicht zur Geltung. Weder Kurzarbeitergeld noch Coronahilfen müsse sich der Wirt anrechnen lassen. Auf die Möglichkeit des Außerhaus-Verkaufs zur Schadenminderung könne er nicht verwiesen werden, wenn dies zuvor auch keine wesentliche Umsatzform gewesen sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wahrscheinlich wird der Versicherer Berufung einlegen und das Oberlandesgericht (OLG) München die Sache entscheiden müssen.

Das OLG Hamm hatte eine ähnliche Sache bereits im Juli 2020 im Rahmen eines Eilverfahrens entscheiden müssen und eine Entschädigung der Wirtin abgelehnt. Mit Beschluss vom 15.07.2020 (20 W 21/20) entschied das Gericht, dass der Betreiberin einer Bar keine Entschädigung aus der Betriebsschließungsversicherung zustehe. In den Versicherungsbedingungen seien ausdrücklich alle Krankheiten aufgelistet, für die der Versicherer einstehen wolle. Das mache dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, in welchem Umfang er versichert sei. Der Zusatz zu den aufgeführten Krankheiten „(vgl. §§ 6 und 7 IfSG)“ bedeute auch nicht, dass diese Krankheiten je nach Nennung im Gesetz dazukommen sollten. Nur die Betriebsschließung aufgrund der konkret benannten Krankheiten sollten versichert sein, so das OLG Hamm. Allerdings ist diese Entscheidung lediglich im einstweiligen (vorläufigen) Rechtsschutz entschieden worden.

Gleichwohl zeigen sich daran im Grundsatz die unterschiedlichen Standpunkte der Gerichte. Angesichts hunderter rechtshängiger Verfahren (auch vor dem Landgericht Oldenburg) werden diese Fragen die Gerichte wohl noch längere Zeit beschäftigen, bevor der Bundesgerichtshof Gelegenheit haben wird, dazu umfassend Stellung zu nehmen.

Außerhalb der Betriebsschließungsversicherung ist auf eine Entscheidung des Landgerichts Berlin hinzuweisen, die jüngst im Fall der Kult-Gaststätte „Das Klo“ erging. Mit Urteil vom 13.10.2020 (2 O 247/20) wies das Gericht die Klage auf Entschädigung gegen das Land Berlin ab. Die Schließung im Rahmen des coronabedingten „Lockdowns“ unterliege einem allgemeinen Unternehmerrisiko. Es handele sich nicht um ein entschädigungspflichtiges „Sonderopfer“ des Betreibers. Ansprüche aus dem Infektionsschutzgesetz könnten wegen der eindeutigen Formulierung des Gesetzes nur dann beansprucht werden, wenn tatsächlich wegen konkreter Erkrankungen die Betriebsschließung erfolgt sei. Hierbei habe es der Gesetzgeber auch bei allen kürzlichen Überarbeitungen des Gesetzes belassen. Andere Normen entfalteten keine Wirkung zu Gunsten der Gastwirte, die sich mit Corona-Soforthilfen des Staates „über Wasser“ halten könnten. So entschied auch das LG Hannover in einem Urteil vom 09.07.2020, das Ansprüche eines Gastwirtes gegen das Land Niedersachsen verneinte. Aus dem allgemeinen Polizeirecht könne zwar der Grundgedanke übernommen werden, dass zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommene Personen Schadenersatz verlangen können, wenn die Gefahr nicht von Ihnen verursacht worden ist. Da aber die Schließungen auf dem speziellen Infektionsschutzgesetz beruhten, das für derartige Fälle keine Entschädigungen vorsehe, könne kein Rückgriff auf andere Landesnormen zur Begründung einer staatlichen Ersatzpflicht erfolgen. Klagen gegen die Länder auf Entschädigung sind mit Rücksicht auf diese Entscheidungen derzeit wohl ohne Aussicht auf Erfolg.

Das Versicherungsrecht betreut in unserem Haus der Kollege Rechtsanwalt und Notar Dr. iur. Marcus Rolfes LL.M.

 

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