Die erfreuliche Grundsatzentscheidung des BGH vom 25.05.2020 hat in den laufenden weiteren Verfahren leider nun deutlich restriktive Einschränkungen erfahren. Der BGH geht grundsätzlich davon aus, dass den geschädigten Käufern ein Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung zusteht – nun aber nur noch, wenn das Fahrzeug vor der Pressemitteilung der VW AG vom September 2015 gekauft worden ist. Jedenfalls hielt es der BGH für richtig, dass das OLG Koblenz bei dem Kauf im August 2016 den Schadenersatzanspruch versagte und meinte, der Kläger habe bei Kauf zu diesem Zeitpunkt nicht darauf vertrauen können, dass die Abgasreinigung ordnungsgemäß arbeite. Der BGH stellt aber wohl tatsächlich bereits auf das Datum der Pressemitteilung von VW am 22.09.2015 ab und meint, danach könne man das Verhalten der VW AG nicht mehr als sittenwidrig ansehen (BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20).
Auch Deliktszinsen hat der BGH abgelehnt. Der Verlust des gezahlten Kaufpreises sei durch das zumindest tatsächlich voll nutzbare Fahrzeug kompensiert. Die Verurteilung zur Zahlung von Deliktszinsen sei daher eine abzulehnende Überkompensation (BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 397/19).
Der BGH hat schlussendlich geurteilt, dass bei der Konstellation, dass das gekaufte Fahrzeug die zu kalkulierende Gesamtlaufleistung erreicht oder überschreitet, kein Raum mehr für Schadenersatz bleibt, weil dann der entstandene Schaden durch die weiträumige Nutzung des Fahrzeugs vollständig „aufgebraucht“ wird (BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19). Im Ergebnis heißt das: soweit die übliche Nutzungsdauer von 250.000 km resp. 300.000 km überschritten ist, gibt es keinen Schadenersatz mehr.
Weil der BGH auf fehlende Sittenwidrigkeit mit dem Vorliegen der Pressemitteilung abstellt, wird wohl das Urteil so zu verstehen sein, dass nach dem 22.09.2015 gekaufte Fahrzeuge VW ebenfalls nicht mehr zum Schadenersatz verpflichten. Deliktszinsen sind ebenfalls nicht zu zahlen, auch nicht zusätzlich zu etwaigem Schadenersatz. Die Urteile sind bedauerlich und fallen deutlich strenger aus, als es die bisher entwickelte obergerichtliche Rechtsprechung erkennen ließ. Insbesondere die Problematik fehlender Sittenwidrigkeit nach der Pressemitteilung überzeugt nicht und wird den tatsächlichen Verhältnissen vielfach nicht gerecht. Tausende Kunden haben unwissend gekauft und stehen nun ohne Schadenersatzanspruch da, soweit die Verfahren noch laufen. Glück hatte, wer beizeiten seinen Schaden geltend gemacht hatte. Die rechtskräftigen Urteile bleiben bestehen.
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