OLG Hamm: VW muss auch dann PKW zurücknehmen, wenn er erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft wurde

 

Die Volkswagen AG muss der Käuferin eines gebrauchten VW-Beetle wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung Schadenersatzdurch Rückabwicklung des Kaufvertrages unter Abzug einer Nutzungsentschädigung leisten. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Urteil vom 10.09.2019 entschieden (OLG Hamm – 13 U 149/18). Der Auffassung des Landgerichts, dass ein Anspruch ausscheide, da beim Erwerb des Pkw sämtliche Umstände des Abgasskandals durch umfangreiche Berichterstattung bekannt waren, folgte das Gericht nicht. Der Senat hat allerdings zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Die Klägerin kaufte im November 2016 bei einem VW-Vertragshändler einen erstmals im November 2014 zugelassenen VW-Beetle Cabrio 1.6 TDI. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor EA 189 verbaut, der das Steuergerät mit der manipulierenden Software enthielt. Im Januar 2017 ließ die Klägerin das von der VW AG angebotene Software-Update aufspielen, welches dafür sorgen sollte, im Normalbetrieb die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte einzuhalten. Die Klägerin hat im Prozess vorgetragen, sie hätte den VW-Beetle nicht gekauft, wenn sie von der Manipulation der Abgaswerte gewusst hätte.

Das Landgericht Bochum hatte die Klage zuvor abgewiesen. Es hat gemeint, ein Schadenersatzanspruch stehe der klagenden Kundin nicht zu, weil beim Erwerb des Fahrzeugs sämtliche Umstände des Vorgehens der Volkswagen AG im Rahmen des Abgasskandals durch umfangreiche Berichterstattung allgemein bekannt gewesen seien. Die Problematik habe deshalb niemandem, der sich 2016 für den Erwerb eines VW-Diesel interessiert habe, verborgen bleiben können.

Dieser Auffassung war der 13. Senat des OLG nicht. Die Klägerin könne wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung , § 826 BGB, den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurück verlangen. Die VW AG habe durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware ihre Kundin getäuscht. Diese hätte davon ausgehen können, dass der Einsatz ihres Pkw im Straßenverkehr entsprechend seinem Verwendungszweck uneingeschränkt zulässig wäre, weil er insbesondere über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt hätte. Eine solche habe der VW-Beetle allerdings schon deshalb nicht gehabt, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine "Umschaltlogik" enthalten habe, die als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren sei.

Durch diese Täuschung habe die Klägerin einen Vermögensschaden erlitten, der bereits in dem Abschluss des – letztlich von der Klägerin nicht gewollten – Kaufvertrages zu sehen sei. Wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hätten nämlich die Entziehung der EG-Typengenehmigung beziehungsweise die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie – bei deren Nichterfüllung – die Stilllegung des Fahrzeugs gedroht, so das OLG.

Dass die Klägerin den Kaufvertrag mit der Volkswagen AG nicht abgeschlossen hätte, wenn sie von den Manipulationen der Volkswagen AG an der Motorsteuerungssoftware und deren Folgen für die Zulassung ihres Fahrzeugs gewusst hätte, habe sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar geschildert. Ebenso habe sie glaubhaft beschrieben, dass weder sie noch ihr Ehemann vor dem Erwerb des VW-Beetle Kenntnis davon gehabt hätten, dass dieses Fahrzeug ebenfalls von dem Abgasskandal betroffen gewesen sei.

Die Täuschung durch die Volkswagen AG sei auch sittenwidrig, so das OLG weiter. Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs komme allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Dabei habe die Volkswagen AG in Kauf genommen, nicht nur ihre Kunden, sondern auch die Zulassungsbehörden zu täuschen und sich auf diese Weise die Betriebszulassung für die von ihr manipulierten Fahrzeuge zu erschleichen.

Der Senat müsse auch annehmen, dass der Vorstand oder ein sonstiger Repräsentant der Volkswagen AG umfassende Kenntnis von dem Einsatz der manipulierten Software gehabt und in der Vorstellung die Erstellung und das Inverkehrbringen der mangelhaften Motoren veranlasst habe, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis an Kunden weiterveräußert werden würden. Es wäre an der Volkswagen AG gewesen, entgegenstehende Umstände konkret darzulegen, was sie nicht getan habe.

In unserer Kanzlei bearbeiten die Mandate im Bereich Abgasskandal die Kollegen Andreas Genze und Sebastian Schlüter in Oldenburg und Kathrin Reuter in Hude.

 

Kompetenz.

Verlässlichkeit.

Kontinuität.

 

Spezialisierte Rechts-
und Fachanwälte -
Ihr gutes Recht!