Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Verhandlungstermin, der für den 27.02.2019 geplant war, aufgehoben. Der Kläger hatte zuvor die Revision zurückgenommen. Die Parteien hatten sich entsprechend verglichen, so dass der BGH nicht entscheiden musste.
Vorausgegangen war ein umfangreicher Hinweisbeschluss des VIII. Senats des BGH vom 08.01.2019. In diesem Beschluss hatte das höchste deutsche Zivilgericht die Parteien auf seine Rechtsauffassung hinwiesen, dass es davon ausgeht, die Fahrzeuge des Herstellers VW, wie auch der Töchtermarken Audi, Seat und Skoda, die mit der bekannten manipulierenden Software ausgestattet sind, seien im Sinne des Kaufrechts mangelhaft.
Bei den betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA189 liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert.
Der BGH meint, es liege ein Mangel gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vor, weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehle.
Für die Praxis wird dies große Bedeutung haben, weil die VW AG bis heute bestreitet, dass überhaupt ein Mangel vorlag. Es wurde stets bestritten, dass es sich bei der Software überhaupt um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt und auf das Bestehen der Typgenehmigung hingewiesen. Der BGH hat hier nun eindeutig die gegenteilige Auffassung bestätigt: es liegen sowohl eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, als auch ein Sachmangel im Sinne des Kaufrechts. Der BGH hat sich allerdings nicht zu der vielfach den jetzigen Klagen zu Grunde liegende Konstellation geäußert, ob die VW AG als Hersteller wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB haftet. Das Urteil betrifft das Kaufrecht, bei dem Käufer und Verkäufer vertragliche Ansprüche haben und das Mangelrecht im Vordergrund steht. Auch hier ist die Argumentation von VW allerdings gleich: die von VW so bezeichnete "Umschaltlogik" sei nicht zu beanstanden. Dem hat der BGH nun eindeutig widersprochen und tritt der "Logik" des VW-Konzerns entgegen.
Weiter hat der Senat die Parteien auf seine Einschätzung hingewiesen, dass der Käufer trotz Modellwechsel einen Anspruch auf Neulieferung haben könnte, gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Das hatte die Berufungsinstanz, das OLG Bamberg, noch anders gesehen.
Hintergrund ist, dass der Käufer einen VW Tiguan I erworben hatte, der im Zuge des Abgasskandals mangelhaft ist. Er hatte die Lieferung eines fabrikneuen Fahrzeugs gegen Rückgabe des alten verlangt. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Kaufrecht. Im Rahmen der deliktischen Ansprüche (826 BGB) gibt es diese Möglichkeit leider nicht. Der Verkäufer hatte sich auf Unmöglichkeit berufen, da der Tiguan I zum Zeitpunkt der Forderung des Käufers nicht mehr hergestellt wurde, sondern schon der Nachfolger Tiguan II. Und einen solchen müsse man nicht liefern, weil vertraglich ein anderes Fahrzeug vereinbart gewesen sei. Dies hatte auch das OLG Bamberg noch so gesehen.
Dem widersprach nun der BGH. Denn im Hinblick auf die vom Verkäufer vertraglich übernommene Beschaffungspflicht, sei - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - der Verkäufer zur Beschaffung des Nachfolgers verpflichtet. Ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang dürfte nämlich für die Interessenlage des Käufers in der Regel ohne Belang sein. Er würde auch das neue Fahrzeug akzeptieren. Der Verkäufer habe keinen Einwand der Unmöglichkeit. Allenfalls könnte er sich im Einzelfall darauf berufen, dass die mit der Ersatzbeschaffung einhergehenden Kosten unverhältnismäßig seien. Damit dringen die Verkäufer häufig aber nicht durch, weil es hier nicht darauf ankommt, ob die Neulieferung deutlich teurer ist, sondern nur darauf ob im Verhältnis zum Vertragsgegenstand die Gesamtkosten unverhältnismäßig werden. Und dies wird regelmäßig nicht der Fall sein.
Die Käufer von manipulierten Fahrzeugen können also auch die Neulieferung beanspruchen, solange Sie beim Händler Gewährleistungsansprüche geltend machen. Sind diese Ansprüche schon verjährt - regelmäßig nach 2 Jahren - besteht im Rahmen der deliktischen Haftung von VW kein Anspruch auf Neulieferung, sondern "nur" auf Schadenersatz.
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