(Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 08.02.2017 - XII ZB 604/15)
Eine Patientenverfügung gibt uns insbesondere die Möglichkeit, auf die Umstände unseres Ablebens Einfluss zu nehmen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen wir gerade nicht weiterleben möchten. Die Antwort auf diese Frage kann endgültiger nicht sein. Es ist daher sehr angemessen, wenn die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Wirksamkeit von Patientenverfügungen stellt. Lebenserhaltende Maßnahmen dürfen nur dann nicht fortgeführt werden, wenn dies dem eindeutigen Willen des Patienten entspricht.
Der Bundesgerichtshof hat daher zu Recht bereits letztes Jahr in seinem Beschluss vom 6. Juli 2016 (XII ZB 61/16) entschieden, dass eine Patientenverfügung mit der Angabe "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen für sich genommen nicht hinreichend bestimmt ist. Eine solcher Wunsch Verfügung muss in der Verfügung konkretisiert werden. Dies kann zum Beispiel geschehen durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen.
In einem aktuellen Beschluss vom 08.02.2017 (Az. XII ZB 604/15) musste der Bundesgerichtshofs jetzt erneut zu der Frage Stellung nehmen, ob eine Patientenverfügung wirksam ist (Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 040/2017 vom 24.03.2017). Darin hat er deutlich gemacht, dass die erforderliche Konkretisierung im Einzelfall auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen vorliegen kann, wenn auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen Bezug genommen wird. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann anhand der Patientenverfügung insgesamt zu beurteilen.
Im jetzt entschiedenen Fall ging es um eine 1940 geborene Frau, die im Mai 2008 einen Schlaganfall erlitt sich seit einem Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand. Sie wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt. Bereits im Jahr 1998 hatte sie eine Patientenverfügung unterschrieben. Darin hat sie bestimmt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollten.
Das Amtsgericht hat den Antrag der Betroffenen, die durch ihren Sohn vertreten wurde, auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr abgelehnt. Das Landgericht hat sich der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen. Der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung jetzt aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Das Beschwerdegericht habe sich nicht ausreichend mit der Frage befasst hat, ob sich der von der Betroffenen errichteten Patientenverfügung eine wirksame Einwilligung in den Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung entnehmen lässt. Denn die Betroffene hätte in der Patientenverfügung ihren Willen zu der Behandlungssituation u. a. an die medizinisch eindeutige Voraussetzung geknüpft, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Zudem habe sie die ärztlichen Maßnahmen, die sie u.a. in diesem Fall wünscht oder ablehnt, durch die Angabe näher konkretisiert, dass Behandlung und Pflege auf Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein sollen, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Diese Festlegungen in der Patientenverfügung könnten dahin gehend auszulegen sein, dass die Betroffene im Falle eines aus medizinischer Sicht irreversiblen Bewusstseinsverlusts wirksam in den Abbruch der künstlichen Ernährung eingewilligt hat. Ob der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen im Wachkoma auf diese konkret bezeichnete Behandlungssituation zutrifft, hat das Beschwerdegericht bislang nicht festgestellt. Dies wird es nachholen müssen.
Man sieht an diesem Beispiel wie wichtig es ist Patientenverfügungen klar und deutlich zu formulieren. Denn wenn Unklarheiten verbleiben, müssen die Gerichte den Willen des Betroffenen anhand sonstiger Anhaltspunkte ermitteln. Dazu werden in der Regel Verwandte und Freunde zu befragen sein, die mit ihren Angaben daher letztlich über das Fortleben des Betroffenen entscheiden – eine Situation, die man niemandem wünscht.
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