Urlaub trotz Rente und Tod – geht das?

Natürlich kann ein Arbeitnehmer nach seinem Tod keinen Urlaub mehr nehmen. Trotzdem können seine Urlaubsansprüche auch nach seinem Tod rechtlich noch eine Rolle spielen. Damit hat sich das Bundesarbeitsgericht kürzlich in einem Urteil vom 22.09.2015, Az. 9 AZR 170/14, befasst. Der Arbeitnehmer war seit Anfang 2008 schwerbehindert und zugleich durchgängig arbeitsunfähig krank. Ab Mai 2009 erhielt er zunächst eine befristete Rente wegen teilweiser und ab März 2011 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, wodurch das Arbeitsverhältnis endete. Im März 2011 forderte er die Auszahlung für die Urlaubstage aus den Jahren 2008 bis 2011. Während des anschließenden Klageverfahrens verstarb er.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte zunächst fest, dass dem Arbeitnehmer die Urlaubsansprüche auch für den Zeitraum entstanden waren, in dem er eine befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezogen hatte. Eine Verminderung von gesetzlichen Urlaubsansprüchen bei Arbeitnehmern, die aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeitsleistung nicht mehr erbringen können, lässt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nach Auffassung des BAG nicht zu.

Sodann prüfte das BAG, ob die Urlaubsansprüche aus 2009 zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im März 2011 verfallen waren. In diesem Zusammenhang spielt § 7 Abs. 3 BUrlG eine entscheidende Rolle. Danach muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen und kann nur ausnahmsweise auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres übertragen werden. Wird der „alte" Urlaub auch in diesen drei Monaten nicht genommen, verfällt er. Dies galt früher sowohl für arbeitsfähige als auch für dauerhaft arbeitsunfähige Arbeitnehmer. In diesem Punkt haben aber der Europäische Gerichtshof (EuGH) und dann die deutschen Arbeitsgerichts ihre Rechtsprechung geändert. § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG wird seit ein paar Jahren deshalb so ausgelegt, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche von langzeiterkrankten Arbeitnehmern erst 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres, also erst mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres nach dem Urlaubsjahr, untergehen.

Nun hatte sich der Arbeitgeber im vorliegenden Fall auf den Standpunkt gestellt, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers aus dem Jahr 2009 zumindest schon tageweise vor dem 31.03.2011 untergegangen seien. Diese Auslegung hat das BAG aber abgelehnt. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass der Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den der Urlaub gewährt wird, deutlich überschreiten müsse. Da der Bezugszeitraum das Kalenderjahr sei, müsse der Übertragungszeitraum deutlich länger als 12 Monate sein. Wenn der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2009 schon tageweise vor dem 31.03.2011 verfallen wäre, würde das im Ergebnis den Übertragungszeitraum verkürzen. Deshalb bestand laut BAG im März 2011 noch der volle Urlaubsanspruch für 2009.

Durch das Ende des Arbeitsverhältnisses im März 2011 wandelte sich der Anspruch auf Urlaubsgewährung in einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung um. Das BAG hatte sich dann noch damit zu befassen, ob der Tod des Arbeitnehmers im laufenden Klageverfahren zum Erlöschen des Zahlungsanspruchs geführt haben könnte. In der Vergangenheit hatte das BAG dies stets bejaht. Jetzt hat es aber klargestellt, dass die geänderte Rechtsprechung zu § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz auch in diesem Punkt zu einer Änderung führt. Der Urlaubsabgeltungsanspruch geht deshalb mit dem Tod des Arbeitnehmers nicht unter, sondern ist vererbbar.

Es bleibt abzuwarten, ob das BAG dies künftig auch für Fälle bejahen wird, in denen ein Arbeitnehmer, der zuvor noch arbeitsfähig war, im laufenden Arbeitsverhältnis verstirbt. Für einen solchen Fall hat das Arbeitsgericht Berlin nämlich unlängst festgestellt, dass sich der Urlaubsanspruch auch dann in einen Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben verwandele (Urteil vom 07.10.2015, Az. 56 Ca 10968/15).

Jens-Peter Brockmann

 

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